Tuesday, October 6, 2015

Der Augenblick perfekter Stille


Dass das Leben eine Aneinandereihung von Momenten ist, kann als Allgemeinplatz gelten, der in jedem zweiten Blog seine Anwendung findet. Auch im Random Bullshit Dispenser kam er schon zur Anwendung, wie sich eventuell der eine oder andere Besucher erinnern kann: "Der pfurzende Pfau aus dem Morgenland", in dem berichtet worden ist, wie das schurkische Gedächtnis des Menschen sich ein paar Momente aus unserem Leben heraussucht und eine Lebensgeschichte erzählt, die nicht zwingend etwas mit dem Erlebten zu tun hat. Im heutigen Beitrag aber lassen wir das Gedächtnis als den schmierigen Gaukler unserer Daseins im Keller schmoren und wenden uns dem Phänomen "Moment" zu, dass hier folgerichtig als ein "kurzes Zeitintervall" und nicht als das "Kreuzprodukt einer vektoriellen Größe mit ihrem Ortsvektor" definiert wird. Und das letztere hat übrigens nichts mit pornografischen Inhalten zu tun, wie es trocken ein Lehrer der technischen Mechanik von sich gab.


Aber der Allgemeinplatz von den Momenten enthält tatsächlich ein Körnchen Wahrheit, daher ist er es wert ein weiteres Mal bemüht zu werden. Denn manchmal, wenn auch sehr selten, gibt es Momente, die das Salz in der Suppe des Lebens sind und uns lange begleiten. "Frater Bartmoss..." wird sich jetzt sicherlich der eine oder andere Leser fragen: "Was ist passiert? Ein Lottogewinn, die Liebe oder wohlmöglich eine Steuerrückzahlung? War es ein erheiternder, einsamer, lustiger, trauriger, miserabler, retardierender, machtvoller oder einfach ein melancholischer Moment?" Ehrlich eingestanden: Mir fehlen die Worte - das gibt es, jawoll! - und die bisherigen Versuche einer Beschreibung hatten etwas von dem Gefasel eines Mondsüchtigen mit Happy Pills zum Abendessen. Es ist ein bisschen, als ob ich eine Farbe gesehen habe, die nicht existiert und jemanden beschreiben soll. Schwierig. Wie sieht beispielsweise die Farbe Rot aus? Oder Grün?

Wie es dazu gekommen ist, das ist schnell erzählt. Vor nicht allzulanger Zeit spazierte ich auf einem Platz in unserer Stadt entlang, der sich nicht sonderlich von anderen Plätzen in anderen Städten unterscheidet: Menschen, Gedränge, Bus, Fahrräder, Fleischereien, Döner, das Goldene M, Industrie-Bäckereien. Die eingeborenen Säufer mit der zwei Liter Flasche Lambrusco für einen Euro Fuffzisch rundeten das Lokalkolorit ab, kurz: Das übliche Programm eines geschäftigen Platzes. Dann kam jener Moment mit dessen Beschreibung ich so hadere: Der Augenblick perfekter Stille. In einem Moment zwischen 2 Herzschlägen war kein Bus zu hören, fuhr kein Auto vorbei und niemand hat geredet, gehustet, gelacht oder geflucht. Für eine kurze Zeitspanne gab es also einen unwirklichen Moment der Ruhe, der - so glaube ich - allen Menschen auf dem Platz ein Geschenk gebracht hat: Ein Augenblick des inneren Friedens, ein kurzer Moment, in der die Seele von der Last des alltäglichen Lebens befreit war. Diese Stille hat es möglich gemacht, das eigene Selbst kurz wahrzunehmen ohne dem üblichen Klimbim von Einkaufslisten, Hass, der Stress in der Arbeit, die nervenden Kinder, Liebe, Freude oder der Gedanke an lila Elefanten in gelben Tutus. Es war auf jeden Fall ein Moment der Gattung "Merkwürdig" und lässt mich - wie zu beweisen war - fragwürdige Berichte zu Papier bringen. Ach was, zur Hölle: Nennt mich mondsüchtig!

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