Friday, February 12, 2016

Bürger, du bist schuldig, daher nehme ich dir dein Bargeld!

 tl;dr
Anonymus


Meine Damen und Herren, erlauben Sie, dass ich mich selber zitiere: "Ich halte das Internet für die beste Erfindung seit geschnittenem Brot und kann mir ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen. Es hat den Zwang zum Besuch staubiger Bibliotheken mit schlecht gelaunten Bücherausgabe-Gehilfen beendet! Freie Information und Zugang zum Wissen der Menschheit in Sekunden! Ich kann mit den Füßen auf dem Tisch eine Pizza bestellen, die umgehend geliefert wird oder meinen Job von einem Strand aus auf Hawai erledigen. Unrasiert! Ein Klick mit der Maus und ein Artikel aus einem der zahlreichen Online-Shops ist schnell bestellt und wird am nächsten Tag vor die Haustüre gebracht. Bücher, Bilder, Musik und bunte Medien - alles umsonst!"

Umsonst? Natürlich nicht, denn das Internet ist keine Macht des Guten und hat vor allem nichts zu verschenken. Den Preis, den wir für unser tolles virtuelles Paralleluniversum bezahlen ist der langsame Verlust unserer Freiheit. Auch wenn es ein totes Pferd ist, auf das ich gerade einschlage: Das Internet ist das Machtinstrument einer neuen Oligarchie, die gerade darauf zu spielen lernt. Und dass zu sehen und zu begreifen ist eine schwierige Sache, denn unsere hübsche digitale Welt besteht aus vielen potemkinsche Dörfer, die uns den Blick auf das eigentliche Wesen verstellen: Kontrolle.

Joseph Weizenbaum - einer der Pioniere der modernen Computerwissenschaften - hat einmal in einem seiner Vorträge das Wesen des Internets auf einen guten Punkt gebracht. Das Internet ist eine Idee und ist als solche grundsätzlich nicht wertfrei, sondern bekommt ihren Wert durch die Gesellschaft, in der diese entsteht und eingesetzt wird. Er hat es etwas spitz formuliert: Da Amerika ein paranoider militaristischer Staatenzusammenschluss ist, deren Bevölkerung aus einem gutem Prozentsatz an religiösen Wahnsinnigen und Fundamentalisten besteht, braucht man sich nicht zu wundern, dass diese das Internet als Instrument zur Überwachung und Manipulation der Bevölkerung begreifen. Jeder Bürger, der nicht gläsern ist und von gewissen Werten abweicht, ist ein potentieller Terrorist. Vor allem Burschen mit Schnurrbärten, dunklen Taint und einem "Yalla, yalla! auf den Lippen. Sie halten das für eine paranoide Wahnvorstellung von einem Aluminiumhutträger? Blicken Sie nach China, Russland, Nordkorea, Pakistan, Afghanistan, Iran oder die Türkei. Letzteres Land hat eine staatliche Telekommunikationsbehörde, die nach Belieben und ohne Gerichtsbeschluss Internetseiten sperren lassen kann. NSA? Nein, die sind eine Macht des Guten.... oder?

Ich gebe zu, dass über die Fallstricke des Internets in einem Online-Blog zu schreiben immer etwas von einer Predigt gegen den Alkohol hat, bei der man mit einer halb vollen Flasche Wein große Gesten der Demut macht. Nur diesmal lohnt sich das Thema auch für Menschen, deren Strom lediglich aus der Steckdose kommt, und denen ein marodes Atomkraftwerk vor der Haustüre ziemlich egal ist. Denn es geht um Geld, genauer: Die schrittweise Abschaffung des Bargeldes und damit ein weiterer Schritt in die lückenlose Überwachung der Bürger mit Hilfe des Internets, welches sich langsam aber sicher in einen Fluch der Menschheit verwandelt.

Der Status Quo ist: Bargeld macht es den Menschen möglich, an den neugierigen Nasen von Staat und Wirtschaft vorbei Einkäufe zu tätigen. Damit wird der Bürger mit Bargeld in der Hand zu einem Unsicherheitsfaktor, da er ja auf die Idee kommen könnte, Gebetsteppiche, Materialien für Bomben oder die Gurkenmarmelade des Konkurrenten zu kaufen. Und keiner weiß es! Ein Schreckensszenario! Ich werde an dem Tag in höhnendes Gelächter ausbrechen, bei dem der erste Kunde in einem Supermarkt der Einkauf verweigert wird, da er den Risikoaufschlag für Zucker bei der Krankenkasse nicht gezahlt hat. Mit der Verknüpfung der Daten und lediglich Zugriff auf elektronisches Bargeld - kein Thema, die technischen Möglichkeiten dazu sind längst vorhanden. Alles was Sie kaufen wird protokolliert, gespeichert und ausgewertet werden und mit all den anderen Daten aus dem Internet der Dinge, ihr Treiben im Internet, ihrer Krankheitsgeschichten, persönlichen Vorlieben und Gehalt verknüpft.

Ich weiß: Sie haben nichts zu verbergen. Aber alle anderen Mitbürger schon. Wie bringt man dieser uneinsichtigen Bevölkerung die Abschaffung der geliebten Geldscheine und Münzen bei? Wie kann man diesen sturköpfigen Troglodyten Einsicht in eine höhere Weisheit vermitteln? Ganz einfach: Es ist nötig, damit wir alle sicherer leben können. Wenn wir bei jedem einzelnen Bürger nachvollziehen könnten, wie er sein Gehalt ausgibt, dann wird alles schön, der Tiger gibt seine Streifen ab und sucht sich einen neuen Job als Milchkuh in einem kleinen Kaff in Bayern. Wir werden in einer Gesellschaft ohne Verbrechen leben und kein böser Terrorist wird eine Bombe unter das gemeine Volk werfen, die Mafia in ihre Teller mit Nudeln weinen und Menschenschmuggler eine Mär aus dem letzten Jahrhundert sein. Denn amerikanische Wissenschaftler haben bewiesen, dass Gauner, Halunken und hundsgemeine Verbrecher ihre Geschäfte mit Bargeld zu tätigen! Echt! Der Start wird mit der Abschaffung des 500 Euro Scheins und einer Bargeldgrenze von 5000 Euro gemacht und die Theorie ist es, dass die verbrecherischen Totengräber höherer Zivilisation nicht auf die Idee kommen, ihren Schischi mit 200 Euro Scheinen zu zahlen. Aha. Macht Sinn.

Ich glaube nicht, dass ich zu weit gehe, wenn ich sage, dass eine Gesellschaft ohne Verbrechen eine Mär ist und dass die größten Verbrechen schon längst nicht mehr Bargeld begangen und bezahlt werden. Abgesehen von der fiebrigen Wahnvorstellung, dass es um eine bessere Kontrolle über unsere Gesellschaft geht, muss man sich die Frage stellen, in welchem Geiste solche Theorien und ihre Umsetzung geschehen. In welchem Boden gedeihen diese Ideen? Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass früher der Bürger unschuldig war, bis jemand seine Schuld bewiesen hat. Heute ist jeder verdächtig und schuldig, bis seine Unschuld nachgewiesen ist. Eine Art gesellschaftliche Erbsünde, die von Generation zu Generation vererbt wird. Damit der Mensch also vor sich selber gerettet werden kann, damit es überhaupt möglich ist seine Unschuld zu beweisen, dafür bedarf es einer lückenlosen Überwachung. Es dient nur zu seinem eigenen Vorteil. Ja, so wird es sein... isch schwör, allda!

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