Friday, August 22, 2014

Der Schockwellenreiter


"Es gibt zwei Arten von Narren: Der eine sagt 'Das ist alt und deshalb gut.' 
Der andere sagt 'Das ist neu und deshalb besser.'"
John Brunner


Amazon Antiquariat
Nachdem ich mit dem üblichen Rant über die Gefahren des Internets und der neuen Technik hergezogen bin, ist auch eine gewisse Nachdenklichkeit eingetreten. Die neuen Technologien werden nicht verschwinden, sondern rasant in unseren Alltag integriert werden - das steht nicht in Frage. Viel interessanter ist: Wie gehen wir damit um? Das World Wide Web zum Beispiel ist mal gerade 25 Jahre alt, steckt sprichwörtlich noch in den Kinderschuhen und ist schon jetzt nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Einer der erste Erwähnungen eines weltweiten Datennetzes und dessen soziologischen Folgen war 1975 in einem Science Fiction: "Der Schockwellenreiter" von John Brunner, eine Dystopie über eine vernetzten Gesellschaft. Einer der Hauptthemen in dem Buch war die Kontrolle über das weltweite Datennetzwerk und die Auswirkungen auf die Gesellschaft. Nun, da Opas verstopfter Stuhlgang gerne auf eine unglückliche Kindheit zurückgeführt wird, ist mein Misstrauen gegenüber gewissen neuen Formen der Technik wohl das Lesen der falschen Bücher zuzuschreiben. Manche bezeichen das Buch gern auch als den Urvater des Cyberpunks, der sich vor allem dadurch auszeichnet, dass die Welt durch den Fortschritt der Technologie keine bessere geworden ist. Ein Credo, dass ich gerne und oft predige, aber eigentlich nicht das meine ist. Die nackte Wahrheit: Ich bin definitiv nicht der Narr, der meint "das ist alt und deshalb gut". Ich liebe Technik, HighTech Junk und die Erfindung des Internets, das mich vom Besuch staubiger Bibliotheken und den Axtmördern befreit hat, die sich üblicherweise dort als Personal tarnen. Auch wenn "Der Schockwellenreiter" fast 40 Jahre auf dem Buckel hat, und manche Beschreibungen unserer heutigen Gegenwart eher zu belächeln sind, kann man sich das eine oder andere in Bezug auf das Internet, Big Data und dem Internet der Dinge abgreifen.


Privatsphäre, Datenschutz und der Zugriff auf die gesammelten Daten ist in der Dystopie nur Mitglieder großer Unternehmen oder gewissen Staatsdienern zugestanden, kurz: Wer der richtigen Gang aka Corporation / Goverment angehört, genießt ungebremsten Zugriff auf die Daten und kann diese manipulieren. Ich bin gestern über die Haushälterin hergefallen? Der Vorfall existiert nicht mehr im System, nachdem ich diesen gelöscht habe und die Anzeige bei der Polizei wird in eine Selbstanzeige wegen Diebstahls geändert. Da läßt sich dramaturgisch einiges zusammen basteln - weckt den Paranoiker in euch und lasst eure Fantasie spielen. Der wichtige Punkt jedoch ist, dass John Brunner gut die wirtschaftliche und politische Diskrepanz zwischen den Bevölkerungsgruppen beschrieben hat, welche durch die Ungleichheit des Datenzugriffs entsteht. Wer überwacht wird hat nur marginal Kontrolle über sein Leben - die Richtung geben diejenigen vor, die Ihre Finger auf den Daten haben. Diese Dystopie aus den 70er wird nicht zwangsläufig mit dem Internet der Dinge eintreten - davon bin ich überzeugt -, aber gesundes Misstrauen ist angebracht. Wer greift in naher Zukunft meine Daten ab und wie werden diese verwendet?

No comments:

Post a Comment