Tuesday, June 19, 2012

Die drei Steine (2)



(neue Version)

Der Stein aus dem See fühlte sich vertraut und warm in der Hand des alten Mannes an. Das Licht der untergehenden Sonne brach das Licht am Stein und brachte alte Erinnerungen und Träume zurück, die wie Fische verführerisch dicht unter der Oberfläche des bewußten Denkens schwammen, aber sich nicht fangen lasssen wollten. Und während er darüber grübelte, kam der Schlaf über ihn und damit ein sonderbarer Traum: Er erblickte sich selber am Fuß eines hohen Berges, dessen grimmiges Haupt von Wolken umgeben war. Ein kleiner steiniger Pfad führte zum Gipfel auf dem das wilde Unwetter tobte. Als er endlich den Mut fand und den Berg erstieg, fiel mit jedem Schritt ein Stück seines Alters von ihm ab und er war wieder jung und voller Kraft. Auf halben Wege kam ihm ein schönes Mädchen mit langem rotem Haar und grünen Augen entgegen. Sie reichte ihm einen Krug mit Wasser, den er dankbar nahm. Als er daraus trank, sprach sie "Und nun vergesse mich. Du wirst mich finden, wenn die Zeit dafür gekommen ist". Als er antworten wollte, legte Sie ihm einen Finger auf den Mund und küsste ihn. Da erwachte er und die Morgensonne schien ihm ins Gesicht. Verwirrt packte der alte Mann sein Bündel zusammen, während er versuchte den Traum festzuhalten. Aber die Erinnerung verblasste, als ob ein Zauber darüber gesprochen war. So verwahrte er die Steine sorgfältig in seinem Gürtel und ging noch einmal nach dem Teich, um sein Spiegelbild zu betrachten. Das Gesicht, das ihm entgegenblickte, war ihm in all den Jahren fremd geworden. "Wer bist du?" fragte er laut sein Spiegelbild, doch es gab keine Antwort.


So wanderte er still weiter und kam bald an Menschen und Orte vorbei, die er nicht mehr kannte. Er war nun weit in der Fremde, weiter als je zuvor und ohne dass er es wirklich bemerkte, lenkte ihn seine Schritte zu einem Berg im Norden des Landes. "Der Berg des Donnervogels" dachte er erstaunt und es war wie im Traum: Der von Wolken umgebene Gipfel, der steile Pfad, die Blitze und der mächtige Donner. "Also du hast mich gerufen?" sprach er zu sich selbst und sah zweifelnd den Berg hinauf: "Das kann nicht gut ausgehen...", denn der Donnervogel war ein Wesen, das man nicht leichtfertig stören sollte. Der Weg hinauf war mühselig und er fluchte leise über die Geister des Landes und die Wahl ihrer Wohnorte. Oft war er einfach daran aufzugeben und wieder umzudrehen, denn besonders wagemutig war er eigentlich nicht. Aber jedes Mal, wenn er über die Weite des Landes sah, sprach sein Herz ihm neuen Mut zu.

Ein paar Tage später erreichte er die Höhle des Donnervogels. Und als er zaudernd vor dem Eingang stand und in die Finsternis blickte, hörte er das Rauschen mächtiger Schwingen. "Warum störst du mich, alter Mann?" donnerte zornig eine Stimme, und der Donnervogel kam mit großer Geschwindigkeit herbeigeflogen. Er war schrecklich und schön anzusehen, seine Augen waren Blitze und die Flügel waren aus Rauch und Feuer. "Ich suche Rat, oh mächtiger Donnervogel!" rief der Mann, aber der Donnervogel entgegnete: "Dann suche deinen Rat woanders oder belästige Schlange damit; denn die redet gerne". Da hielt der alte Mann den Stein in die Höhe: "Der Stein lag auf dem Grunde eines tiefen Sees und hat mich zu dir geführt".

Auf diese Worte hin landete Donnervogel. Er nahm seinen Schnabel ab und verwandelte sich in einen großen Mann, dessen Augen jung und alt zur gleichen Zeit waren. Er griff sich den Stein, schloss seine Augen und bedeutete dem alten Mann mit einer unwirschen Handbewegung zu schweigen.
Als er die Augen wieder öffnete waren sie voller Zorn: "In dem Stein sind meine Kinder, die Träume. Aber du kannst sie nicht hören, weil du dich schon vor langer Zeit von Ihnen abgewendet hast". Und da erinnerte sich der alte Mann an all die Dinge, die er immer schon tun wollte, aber es immer ratsam war, diese nicht zu tun. Und so sprach er traurig: "Aber das sind die Träume meines vergangenen Lebens und die eines jungen Mannes. Was soll ich jetzt tun? Ich bin nun alt und der Tod klopft schon an die Tür". Der Donnervogel setzte seinen Schnabel wieder auf und verwandelte sich abermals. "Narr, du stehst erst am Anfang deiner Reise. Die Feigheit deines Herzens widert mich an!" Aus seinen Augen schoß ein Blitz, der die Schuhe des alten Mannes ansengte. Ein deutliches Zeichen für einen schnellen Aufbruch dachte sich der alte Mann und rannte so schnell er konnte den Berg hinunter, während die Blitze links und rechts von Ihm einschlugen.

Im Tal ließ er sich schwer atmend in das grüne Gras sinken, aber trotz der Anstrengung war es ihm ganz leicht zumute. "Ein Paar Schuhe sind ein geringer Preis für dieses Erlebnis" befand er, als er so liegend seine angesengten Schuhe betrachtetet. Er freute sich schon, diese Geschichte Kojote an einem Feuer erzählen zu können. Und als er nach seiner Wasseflasche in seinem Bündel suchte, fand er den zweiten Stein, den er bei seiner Flucht zurückgelassen hatte. Da wußte er, dass der Donnervogel ihm verziehen hatte.


to be continued...

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